Health workforce across European Countries
manifesto for a european health union

Die Migration von Gesundheitspersonal in Europa

Migration of health workforce in Europe

In Deutschland ist einer von sechs Arbeitnehmern im Gesundheitswesen im Ausland geboren. Ein Viertel aller Ärzte und Ärztinnen hat einen Migrationshintergrund. Von 2015 – 2019 hat sich die Anzahl der Anträge auf Anerkennung der beruflichen Qualifikation für Krankenpfleger und -pflegerinnen um das 2,5-fache erhöht. Die Migration von Gesundheitspersonal ist eines der Kernthemen im deutschen und europäischen Gesundheitswesen [1]. In Germany, about one in six employees in health and care professions was born abroad. A quarter of all doctors in Germany has a migration background. From 2015 to 2019, the number of applications for the recognition of health- and nursing care professions increased by 2.5. The migration of health workforce is one of the core subjects of German and European health systems [1].

Migration in Deutschland

Wie das Jahresgutachten des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) in Deutschland bekräftigt, leisten Fachkräfte mit Zuwanderungsgeschichte einen „unverzichtbaren Beitrag zur Gesundheitsversorgung“. „Ohne eingewanderte Fachkräfte auf allen Ebenen des Gesundheitswesens, steht das deutsche Gesundheitssystem vor einem Kollaps.“ Und der Bedarf in Deutschland nach ausgebildeten Fachkräften im Gesundheitswesen wird weiter deutlich steigen. [2]

Anerkennung beruflicher Qualifikation

Der Bedarf lässt sich durch Ausbildung sowie durch Migration decken. Ausländische Fachkräfte im Bereich Gesundheitswesen müssen in den meisten Fällen einen Antrag auf Anerkennung ihrer Qualifikation stellen. Im Jahr 2020 wurden für Gesundheitsberufe über 23.000 Anträge gestellt. Das sind fast drei Viertel aller Anträge. Die meisten Anträge entfallen auf Pflegerinnen und Pfleger (ca. 15.000 im Jahr 2019) sowie Ärztinnen und Ärzte (ca. 6.500).

Vergleicht man diese Zahlen mit den Absolventinnen und Absolventen, so haben für Kranken-, Kinder- und Altenpflege im selben Jahr etwa 35.500 die Qualifikation erhalten (vgl. Abb. 1). Somit haben 30 % der möglicherweise neu eintretenden Pflegekräfte ihre Qualifikation aus dem Ausland. Berücksichtigt man zudem, dass ca. 5.000 der Absolventinnen und Absolventen aus dem Ausland stammen, sind fast 40 % der Pflegekräfte Deutschlands immigriert (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Migrationsanteile neuer Pflegekräfte

Abbildung 1: Migrationsanteile neuer Pflegekräfte

Migration in der EU

Um die zukünftigen Herausforderungen, welche eine verstärkte Migration für die Länder der EU mit sich führt, zu dokumentieren und zu analysieren, bedarf es vielfältiger statistischer Instrumente. Eines scheint mit der Datenbank für regulierte Berufe (Regulated Professions Database – RPD) der Europäischen Kommission, welche im Internet frei zugänglich ist, bereits vorzuliegen [3]. Die Datenbank enthält Statistiken zu Anträgen für die Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen, mit dem Ziel der dauerhaften Niederlassung innerhalb der EU, den EWR-Staaten und der Schweiz.

Die Daten stellen einen wertvollen Indikator zur Beurteilung der Migrationsströme innerhalb der EU dar. Leider bestehen erhebliche strukturelle und datentechnische Einschränkungen. Letztere zeigen sich insbesondere durch Datenlücken in den nationalen Datenlieferungen. So müssen wertvolle Analysen, die aus dem Datenbestand der RPD entstehen, stets mit erheblichen Einschränkungen betrachtet werden.

Gemäß Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) stehen für Deutschland Daten für bundesrechtlich geregelte Berufe von 2013-2020 zur Verfügung. Für den Beruf Ärztinnen und Ärzte sind in der RPD jedoch nur Daten für 2015 – 2017 und für Pflegekräfte von 2015 – 2018 enthalten (nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes aufgrund unterschiedlicher Datenverarbeitungen und Problemen mit Schnittstellen). Für andere Länder zeigen sich ähnliche Datenlücken. So enthält der Schweizer Datensatz für „doctors“ lediglich die Jahre bis 2015, für die „nurses“ die Jahre bis 2019.

Durchschnittsbetrachtung

Um dennoch die Daten für Vergleiche nutzbar zu machen, wurde eine Durchschnittsberechnung für die Jahre 2013-2021 durchgeführt. Da die Werte von den aufnehmenden Ländern gemeldet werden, ist davon auszugehen, dass eine Meldung auch sämtliche abgebenden Länder beinhaltet. So wurde für jeden Strom der Durchschnittswert aus den vom aufnehmenden Land gemeldeten Jahren verwendet. Sollte für ein abgebendes Land kein Wert verfügbar sein, aber das aufnehmende Land in diesem Jahr Daten gemeldet haben, wird für den Strom der Wert Null angenommen. Dieses Vorgehen lässt sowohl einen Vergleich der Anzahl Anerkennungen in einzelnen Ländern (Größe der Boxen) als auch einen Vergleich der Ströme zu.

Abb. 2: Anerkennung ausländischer Abschlüsse für den Beruf „Arzt“ nach RPD, Durchschnittsbetrachtung 2013-2021

Ärztinnen und Ärzte

Abb. 2 zeigt in welchen Ländern die Ärztinnen und Ärzte ihren Abschluss erhalten haben (Boxen auf der linken Seite) und in welchem Land sie einen Antrag auf Anerkennung ihrer Qualifikation stellen (Boxen auf der rechten Seite). So zeigt sich, dass Ärztinnen und Ärzte mit Abschlüssen aus Deutschland, Rumänien und Italien am häufigsten in anderen europäischen Ländern eine Anerkennung beantragen. Die meisten Anträge werden dabei in der Schweiz, im Vereinigten Königreich und in Deutschland gestellt.

Interessante Einblicke in die Migration der Gesundheitsberufe bietet ferner ein Vergleich der Ströme. Die Größe der Migrationsströme hängt erwartungsgemäß von der Bevölkerungsgröße, und den Ausbildungskapazitäten ab. Im Fall der Schweiz, die über unterdurchschnittliche Kapazitäten verfügt, kommen die drei größten Ströme aus den Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Italien. Der viertgrößte Strom führt von Polen nach Norwegen, der Fünftgrößte von Italien ins Vereinigte Königreich. Als Ursache für die Größe dieser Ströme spielen die hohen Einkommensunterschiede zwischen Ursprungs- und Zielland sicherlich eine wichtige Rolle (Pull-Effekt).

Auch die relative Größe der Ströme im Vergleich zur Größe der Box ist interpretierbar. So beruht der Status Deutschlands als größter abgebender Ausbilder vor allem auf den Anträgen in der Schweiz. Andererseits zeigt sich eine Abhängigkeit der Schweiz von Deutschland sowie Norwegens von Polen.

Einschränkungen

Die Ausbildung der Gesundheitsberufe erfolgt zunehmend international. Ein kleiner, aber wachsendender Teil der Mediziner studiert teilweise oder ganz im Ausland. Die Ausbildungskapazitäten der europäischen Länder haben sich dabei höchst unterschiedlich entwickelt.

In der Durchschnittsbetrachtung für die Jahre 2013 – 2021 wird dieser Trend verzerrt. Der Zufluss an Fachkräften in Ländern mit steigenden Zahlen wird so unterschätzt. Insbesondere durch die immer stärker werdenden Bemühungen einiger Länder, wie Deutschland, im Kampf um Fachkräfte, ein nicht unbedeutender Bias für die öffentliche Diskussion der Migrationsströme.

Fazit

In einem europäischen Arbeitsmarkt für Gesundheitsberufe wird die Beobachtung, der internationalen Migrationsströme an Fachkräften immer wichtiger. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Zugang zu Gesundheitsleistungen unmittelbar vom Zugang zu Gesundheitsberufen abhängt. Der Ansatz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zuwanderung von Fachkräften zu reduzieren kann in einem gemeinsamen Arbeitsmarkt nicht befriedigen.

Zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung strebt die WHO eine Halbierung der Abhängigkeit von ausländischen Gesundheitsfachkräften bis zum Jahr 2030 an [4]. Eine solche Zielsetzung steht jedoch im Widerspruch mit einem freien Arbeits- und Ausbildungsmarkt in der EU.

Für jede Art staatlicher Eingriffe in die Berufsausübung und Zuwanderung ist die Überwachung und Dokumentation der Migrationsströme zentral. Eine Aufgabe, für die die RPD eine gute Basis bildet. Der Umfang und die Qualität der Daten müssen hierzu jedoch deutlich erweitert werden.

Referenzen

[1] BASYS (2022), Health workforce demand and supply across the European Union, Summary report, Augsburg May 2022, unter: https://www.basys.de/aktuelles/hwf.

[2] Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) (2022), Jahresgutachten 2022, Systemrelevant: Migration als Stütze und Herausforderung für die Gesundheitsversorgung in Deutschland, Berlin.

[3] European Commission (ohne Jahr), Regulated professions database, https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/regprof/index.cfm.

[4] WHO (2016), Global strategy on human resources for health: Workforce 2030, World Health Organization, http://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/250368/9789241%20511131-eng.pdf?sequence=1 zuletzt: 21.07.2022.


Autoren
Thomas Krauss, Markus Schneider

Eine PDF-Version dieses Artikels kann hier heruntergeladen werden.

Weitere Informationen zu Gesundheitspersonal in Europa: Health Workforce - Overview