Health workforce across European Countries
manifesto for a european health union

Langzeitpflege: Versorgungsbedarf und Pflegekräftemangel

Long-term care: Need of long-term care and shortage of nurses?

Seit Einführung der Pflegeversicherung steigt in Deutschland die Nachfrage an Pflegekräften. Die Schwere der Pflegebedürftigkeit ist im Zeitraum 1999 – 2009 zwar gesunken, die Pflegedauer jedoch gestiegen. Wegen letzterem Trend steht die soziale Pflegeversicherung angesichts der demographischen Entwicklung vor gewaltigen Herausforderungen. Immer mehr Pflegekräfte werden benötigt. In Germany, the demand for caregivers is increasing since the introduction of long-term care insurance. In contrast, dependency on extreme need of care had decreased during 1999 – 2009 while the duration in care raised. In light of this prolongation the long-term care insurance faces profound challenges as result of demographic developments. More and more professional caregivers are needed.

Absicherung des Pflegerisikos

Jeder zweite Deutsche wird durch Krankheit, Unfall und Invalidität pflegebedürftig. Die Entscheidung für die Soziale Versicherung der Pflegebedürftigkeit im Jahr 1995 war ein Schritt, die individuelle Belastung im Pflegefall zu mindern und ambulante sowie stationäre Versorgungsstrukturen aufzubauen. Diese Absicherung wird jedoch von vielen Experten als unzureichend eingestuft. Der Mangel an Pflegekräften bei zunehmender Anzahl älterer Menschen gilt ferner als weitere Herausforderung.

Abnahme der Schwerstpflegequote

Der Zunahme von Pflegebedürftigen seit Einführung der Pflegeversicherung stehen Verschiebungen im Versorgungsbedarf gegenüber. So zeigt die Analyse der Zahlen der Pflegestatistik u. a. ein Absinken der Schwerstpflegequoten. Ende 2009 waren in Deutschland 292 Tsd. Menschen schwerstpflegbedürftige (Pflegestufe III). Das sind ca. 6.500 Menschen bzw. 2,2 % mehr als im Jahr 1999. Die Anzahl der Älteren stieg jedoch in diesem Zeitraum weitaus stärker, so dass sich dadurch heute eine niedrigere Pflegequote bei der Pflegebedürftigkeit der Stufe III als beim Inkrafttreten der Pflegeversicherung ergibt. Auch unter Berücksichtigung der anderen Pflegestufen zeigt sich ein rückläufiger Schweregrad.

Professionalisierung der Pflege

Die Ausweitung des Pflegeangebots ging andererseits mit einem Trend zur professionellen Pflege in Pflegeheimen und durch ambulante Pflegedienste einher. Im Jahr 2009 arbeiteten 621 Tsd. Beschäftigte in Pflegeheimen und versorgten dort 771 Tsd. Pflegebedürftige. Weitere 269 Tsd. Beschäftigte von ambulanten Pflegediensten halfen ca. 504 Tsd. Pflegebedürftigen zuhause.

Der durch professionelle Pflegekräfte betreute Anteil an Pflegebedürftigen stieg im Zeitraum 1999 – 2009 von 1,2 % auf 1,6 % der Bevölkerung. Trotz eines Anstiegs in allen Ländern unterscheidet sich die Entwicklung zwischen den Bundesländern doch stark. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Niedersachsen lag der Zuwachs der Versorgungsquote weit über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Abb. 1). Die Ursachen sind vielfältig. Eine Kommentierung dieser Entwicklungen bedarf jedoch noch weiterer Analysen (vgl. z. B. auch Barmer GEK 2011).

Entwicklung der Arbeitsproduktivität

Im Zusammenhang mit der Versorgungsquote ist die Entwicklung der Arbeitsproduktivität, d. h. dem Verhältnis aus Pflegevolumen und Pflegeeinsatz, zu beachten. Abbildung 1 zeigt zwischen den Bundesländern prägnante Unterschiede in der Produktivitätsentwicklung. So verzeichnen beispielsweise Berlin, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Sachsen einen deutlichen Zuwachs der Arbeitsproduktivität von 1999 auf 2009. Entscheidend dürfte dabei der Mix an Pflegearrangements (Pflege durch Angehörige und Bekannte, ambulante Pflege und stationäre Pflege) sein.

Abb. 1: Entwicklung der Produktivität und der Versorgungsquote in der Langzeitpflege, 1999 – 2009

Entwicklung der Produktivität und der Versorgungsquote in der Langzeitpflege, 1999 – 2009

Mangel an Pflegekräften

Prognosen zeigen bei bestehenden Strukturen mittelfristig einen Mangel an Pflegekräften. Aufgrund des demografischen Wandels wird in Deutschland generell spätestens nach 2025 ein massiver Arbeitskräftemangel herrschen. Für die Pflegeberufe wird dieser Mangel bereits ab 2018 eintreten (Afentakis/Maier 2010). Dieser Pflegekräftemangel lässt sich auch als Ergebnis der Professionalisierung und der Qualitätsverbesserung interpretieren.

Wesentlich ist, welche Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten einer professionalisierten Pflege zukünftig zugeschrieben werden sollen. So wird der Bedarf an professioneller Pflege maßgeblich durch den Anteil der häuslichen Pflege mittels Angehörige und Bekannte beeinflusst. Im Vergleich zur professionellen Pflege nahm die Bedeutung der häuslichen Pflege ab. In Brandenburg ist der Anteil der von Angehörigen Versorgten am geringsten. Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland haben jeweils den größten Anteil. Entscheidend wird deshalb auch sein, wie sich zukünftig die Pflege durch Angehörige im Verhältnis zur Pflege durch professionelle Anbieter entwickelt. Gleichzeitig bedeuten die aufgezeigten Differenzen in den Pflegearrangements, dass innovative Modelle gefragt sind, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Fazit

Aufgeschreckt durch einen prognostizierten Pflegenotstand werden nun Diskussionen geführt, wie dem zukünftigen Bedarf an Pflegekräften durch gewandelte Rollen und Einsatzgebiete der Pflege sowie der Ausbildung von Pflegekräften begegnet werden kann. Es wird deshalb ein Gesamtkonzept für die Pflege benötigt, das die Unterstützung und Teilhabe der Pflegebedürftigen ausweitet, die Pflegepersonen entlastet und eine qualitativ hochwertige Arbeit der professionellen Pflegekräfte ermöglicht.

Von Seiten der Politik sollten weitere Anstrengungen unternommen werden, durch Koordination und Anreize, die häusliche Pflege durch Angehörige und Freunde zu stärken sowie mit professionellen Angeboten zu verknüpfen. Damit kann am ehesten der zukünftige Bedarf in der Betreuung gewährleistet werden. Die Förderung von Formen des betreuten Wohnens, wie z. B. Wohngemeinschaften für Senioren, ist eine Möglichkeit, dem steigenden Bedarf an Pflegekräften entgegenzutreten.

Referenz

Afentakis, A., Maier, T. (2010), Projektion des Personalbedarfs und -angebots in Pflegeberufen bis 2025, in: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 11/2010, S. 990 - 1002.

Barmer GEK (2011), Pflegereport 2011. Wuppertal, Schwäbisch Gmünd.

Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010), Auswirkungen auf Krankenhausbehandlungen und Pflegebedürftige im Bund und in den Ländern, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2, Ausgabe 2010, Wiesbaden.

Statistisches Bundesamt (2011), Pflegestatistik 2009, Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung. Deutschlandergebnisse, Wiesbaden.


Autoren
Uwe Hofmann, Markus Schneider

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