Health workforce across European Countries
manifesto for a european health union
Titel Erweiterung der gesundheitsökonomischen Rechensysteme: Das Gesundheitssatellitenkonto*)
Datum November 2009
Auftraggeber Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Kontakt Dr. Markus Schneider, Thomas Krauss, Dr. Uwe Hofmann

Warum bedarf es eines Gesundheitssatellitenkontos?
Wie unterscheidet sich das das Gesundheitssatellitenkonto von der Gesundheitsausgabenrechnung?
Welche zusätzlichen Ergebnisse liefert das Gesundheitssatellitenkonto?
Welche politischen Schlussfolgerungen ergeben sich?

Warum bedarf es eines Gesundheitssatellitenkontos?

Die Gesundheitsausgabenrechnung (GAR) folgt grundsätzlich einer anderen Zielsetzung als das Gesundheitssatellitenkonto (GSK). Die GAR erfasst die Leistungs- und Finanzierungsstruktur der konsumierten Gesundheitsleistungen nach internationaler Abgrenzung: Wer bezahlt was für welchen Zweck und wer erbringt die Leistungen? Aus wirtschaftspolitischer Sicht stellen sich zusätzliche Fragen:

  • Was ist die Produktionsleistung und Wertschöpfung der Gesundheitswirtschaft?
  • Wie hoch sind die Vorleistungen innerhalb der Gesundheitswirtschaft?
  • Wie sind die Verflechtungen der Branchen der Gesundheitswirtschaft mit der Gesamtwirtschaft?
  • Welches Ausmaß haben die Import- und Exportströme der Gesundheitswirtschaft?
  • Wie entwickelt sich die Produktivität der Gesundheitswirtschaft?

Während es in der Gesundheitspolitik vor allem um den Nutzen der medizinischen Versorgung für die Bürger geht, interessiert die Wirtschaftspolitik der Beitrag der Gesundheitswirtschaft für das Wirtschaftswachstum insgesamt, die Vollbeschäftigung, die Preisstabilität und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht. Es geht damit auch um die Frage, wie die Rahmenbedingungen auf den verschiedenen Gesundheitsmärkten zu setzen sind, damit ein langfristiges Wirtschaftswachstum sichergestellt wird.

Gesundheitswirtschaft nach GAR und GSK in Mrd. € zu Herstellungspreisen, 2005

Wie unterscheidet sich das das Gesundheitssatellitenkonto von der Gesundheitsausgabenrechnung?

Beide Rechensysteme sind komplementär zu einander. Sie überschneiden sich im Konsum und ergänzen sich in den übrigen Elementen. Während das GSK die gesamte Wertschöpfungskette einzelner Gütergruppen sowie ihr Angebot und ihre Nachfrage beschreibt, richtet sich die GAR primär auf die Nachfrageseite einschl. der Kosten für einzelne Krankheiten. Während das GSK die erwirtschafteten Einkommen durch die Produktion der Gesundheitswirtschaft erfasst, zielt die GAR auf die Ausgaben.

Im Gegensatz zur GAR ist das GSK voll in die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen integriert. Die güter- und finanzwirtschaftlichen Vorgänge der Gesundheitswirtschaft können damit in ihrer Verflechtung zur Gesamtwirtschaft transparent gemacht werden. Um die verschiedenen statistischen Grundlagen zu einem kohärenten und konsistenten Analyseinstrument zusammenführen, wird auf bewährte Methoden, darunter die Input-Output-Tabelle zurückgegriffen. Die Verflechtungen zwischen Angebot und Nachfrage in der Gesundheitswirtschaft sowie mit der Restwirtschaft werden dadurch deutlich. Dazu treten noch die vielfältigen Vertragsbeziehungen zwischen den gesetzlichen und sozialen Versicherungen. Dabei werden sowohl der Zweite Gesundheitsmarkt als auch die gesundheitsbezogenen Vorleistungsindustrien erfasst.

Welche zusätzlichen Ergebnisse liefert das Gesundheitssatellitenkonto im Vergleich zu Gesundheitsausgabenrechnung?

Der Wert für das Aufkommen (Inländische Produktion und Importe) der Gesundheitswirtschaft liegt definitorisch über dem Konsum an Gesundheitsgütern, wie sie von der GAR erfasst werden. Nach den Berechnungen für das Jahr 2005 ist das Aufkommen um rund 30% höher als der Konsum an Gesundheitsgütern im Inland. Wie erklärt sich der hohe Unterschied? Zum einen wird ein Teil des Aufkommens an Gesundheitsgütern für Vorleistungen verwendet, zum anderen wird exportiert. Ein weiterer Teil geht schließlich in die Vorratsveränderungen und wird investiert.

Eine Besonderheit des GSK ist die Unterscheidung in einen ersten und zweiten Markt, ferner die Berechnung der Bruttowertschöpfung. Insgesamt erwirtschaftet die Gesundheitswirtschaft rund 10,2% der Bruttowertschöpfung, wovon 7,8% auf den Kernbereich und 2,3% auf den Erweiterten Bereich der Gesundheitswirtschaft entfallen. Die Gesundheitswirtschaft erzielt ferner 2005 einen Außenhandelsüberschuss in Höhe von 7,7 Mrd. €. Der Kernbereich erreicht aufgrund der Pharmazeutischen und Medizintechnischen Erzeugnisse sogar 10,0 Mrd. €, während der erweiterte Bereich, insbesondere aufgrund der hohen Importe von Bioprodukten, ein Außenhandelsdefizit von 2,4 Mrd. € aufweist.

Die Gesundheitswirtschaft ist wissenschafts- und personalintensiv und verfügt daher über hohe Erwerbstätigenzahlen und hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nach der Abgrenzung der Gesundheitswirtschaft im GSK arbeitet fast jeder siebte Erwerbstätige (13,7%) in der Gesundheitswirtschaft, jeder Zehnte (10,4%) im Kernbereich und jeder Dreißigste (3,3%) in der Erweiterten Gesundheitswirtschaft.

Welche politischen Schlussfolgerungen ergeben sich?

Wirtschaftspolitisch:
Die Entwicklung des Humanvermögens und der Produktivität ist die erste Aufgabe jeder Wachstumspolitik. Jedoch sind auch monetäre Verflechtungen mit der Gesamtwirtschaft sowie dem Ausland ein nicht mehr zu vernachlässigender Teil der Bedeutung der Gesundheitswirtschaft. Die Gesundheitswirtschaft trägt auf vielfältige Weise zu Sicherung von Wachstum und Beschäftigung bei.

Gesundheitspolitisch:
Kostendämpfung wird vielfach unter dem Blickwinkel der Einsparungen öffentlicher Mittel gesehen. Hier ist es einerseits notwendig, stärker die Effizienz der Leistungen zu beachten, anderseits die makroökonomischen Zusammenhänge. Durch die vielfältigen Verflechtungen und Organisationsformen der Leistungserbringung werden Gesundheitsreformen immer komplexer. Ein Satellitensystem Gesundheit ist hier ein wertvolles Analyseinstrument zur Vorbereitung von Reformen.

Die Kurzfassung der Studie findet sich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.

*) Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit der TU Berlin (Prof. Dr.K-D Henke und Mitarbeiter) unter der Projektleitung von Dr. Karsten Neuman (Roland Berger Strategy Consultants) und dem Statistischen Bundesamt realisiert.